Impostor-Syndrom-Blog

Wie man das Impostor-Syndrom überwinden kann

Regelmäßig kommen ins Coaching Kriminelle. Menschen, die ihr Umfeld täuschen. Die sich mit Fähigkeiten, die sie gar nicht besitzen, auf ihre aktuelle Position gemogelt haben. Die dort aus Zufall und mit Glück gelandet sind. Die kurz davor sind, aufzufliegen. Dass diese Menschen Schaumschläger und Hochstapler sind, denken natürlich nur sie selbst. Ich sehe intelligente, sehr leistungsbereite Menschen, die bereits eine erfolgreiche berufliche Laufbahn verbuchen können. 

Das Hochstapler-Syndrom beziehungsweise das durch die beiden Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes erstmalig 1978 so eingeführte „impostor syndrome“ ist ein psychologisches Phänomen. Dabei sind die Betroffenen von massiven Selbstzweifeln hinsichtlich eigener Fähigkeiten und Leistungen geprägt. Fehler, Niederlagen, Scheitern sehen sie schnell bei sich. Erfolge erklären sie mit dem viel wichtigeren Beitrag Anderer, Zufall oder Glück. Die Psychologin Franca Cerutti bringt es in ihrem Podcast auf die herrlich-drastische Sprachformel: Sie habe sich zu Beginn ihrer Karriere oft als „hohle Fritte“ empfunden.

Die apokalyptischen Reiter des Hochstapler-Syndroms: Die 4 Ps

Sagenhafte 70 Prozent aller Menschen haben laut eines Artikels im International Journal of Behavioral Science schon Phasen mit dem Hochstapler-Syndrom erlebt. Nicht ganz so groß, wenn auch immer noch beträchtlich, ist der Anteil an Menschen, die an seinen Auswirkungen leiden. Wer Selbstzweifel an seinen Fähigkeiten hat, wird sich seltener auf eine attraktive Stelle bewerben. Wird im Bewerbungsschreiben und -gespräch das Licht eher unter den Scheffel stellen und, sollte doch „wider Erwarten“ ein Arbeitgeber anbeißen, weniger offensiv ein gutes Gehalt verhandeln.

Und auch im Beruf sind Impostor zwar oft herausragend, tragen aber ein hohes Risiko, sich massiv zu überarbeiten oder einen Burn-Out zu erleiden. Denn das Hochstapler-Syndrom kommt nicht allein. Es hat als die apokalyptischen Reiter die vier „Ps“ dabei: „perfectionism“, „procrastination“, „paralysis“ und „people pleasing“. Dem Hochstapler „dienen“ sie dazu, die vermeintliche Gefahr des Auffliegens zu reduzieren. Im Ergebnis investiert der Impostor aber regelmäßig mehr Energie und Kraft in die Arbeit als er hat. 

Die vier apokalyptischen Reiter schaden nicht nur dem Impostor, sondern auch seinen Kolleg:innen. Als ich noch als angestellte Führungskraft arbeitete, meldeten mir Team-Mitglieder zurück, dass sie schnelleres Feedback brauchten, vor allem bei wichtigen Konzepten oder längeren Texten. Eine klare Folge von „paralysis“ und „procrastination“ auf meiner Seite. Bevor ich Texte und Konzepte nicht bis ins letzte Detail verstanden hatte, wollte ich auch kein Feedback geben. Es sollte das „perfekte“ sein, wenn ein pragmatisch-schnelleres im direkten Gespräch oft besser gewesen wäre. Und hat „people pleasing“ damals dazu geführt, Aufgaben und Projekte für das Team nicht abzuwehren, obwohl die Arbeitslast schon viel zu hoch war? Ganz sicher. 

Was hilft aus dem „Hohle-Fritte-Zustand“?

Die gute Nachricht: Die allerwenigsten von uns stehen mit einem gefälschten Abschluss im OP. Wir sind also keine Mogelpackung, sondern wir fühlen uns gelegentlich so. Und wir fühlen uns gelegentlich so, weil wir denken wie ein Hochstapler („Hoffentlich merkt niemand, dass ich nur hier bin, weil ich Glück hatte.“ „Ich bin nicht so gut wie die Anderen denken“ usw.). 

Im Business Coaching steht die Arbeit an diesem Dreiklang aus Erkennen – Verstehen – Verändern im Vordergrund. Erkenne ich, wenn ich wie ein Impostor denke und fühle und verstehe ich, was in diesen Momenten in mir vorgeht? Dann bin ich auch in der Lage, diese Gedanken und Gefühle zu verändern. Das dysfunktionale Selbstkonzept, das das Hochstaplersyndrom beschreibt, meldet sich seltener zu Wort oder verschwindet ganz.

Der Notfall-Kit gegen das Hochstaplersyndrom

Darüber hinaus gibt viele Wege, um selbst an negativen Denkautomatismen zu arbeiten. Alles, was hilft, positiven Denkmustern Raum zu geben, ist erlaubt:

  • Sich des eigenen Stärkenprofils bewusst werden:
    Was kann ich richtig gut? Gerade die Fähigkeiten, die wesentlich für unseren Erfolg sind, schätzen wir gern gering. Am besten eine Liste machen und Kollegen/Vorgesetzte/Freunde/Familie ebenfalls um Feedback bitten.
  • Erfolge aufschreiben, positive Rückmeldungen, sammeln & bewusst feiern:
    Als ich mich, frisch aus der Uni, im ersten Job über Monate wie ein Hochstapler fühlte, habe ich mir regelmäßig die Ausführungen meiner beiden Magisterarbeits-Gutachter durchgelesen. Klingt schräg, half aber. Dort las ich schwarz auf weiß, dass ich zumindest schon einmal in meinem Leben etwas gut gemacht hatte 😉.
  • Sich nicht vergleichen:
    Zugegeben – schwer. Aber für das Hochstapler-Syndrom sind Vergleiche der beste Nährboden.  Vor allem da wir, wie Franca Cerutti richtigerweise sagt, dazu tendieren, „unser Schlechtestes mit dem Allerbesten der Anderen zu vergleichen“. Übernehme ich das erste Mal ein Team, ist der Vergleich mit der besten Chefin – 30 Jahre älter als man selbst – nur dann zielführend, wenn man weiß, dass man dieses Ideal wohl nicht gleich im ersten Jahr erreichen wird.
  • Das Gelingen visualisieren statt über Scheitern, Scham oder Negativ-Szenarien nachdenken
  • Dr. TED:
    Die kurzen TEDx Talks von Mike Cannon-Brooks, dem australischen Co-Gründer des Software-Anbieters Atlassian, und Hochstapler-Syndrom-Expertin Dr. Valerie Young, sind ein exzellenter „Quick Fix“, um akute Impostor-Syndrom-Zustände zu beenden.
    (Nach drei Minuten Cannon-Brooks hat man das erste Mal Lachtränen in den Augen, am Ende des 14-minütigen TED Talks im Idealfall einen „Und wo steht das Klavier?“-Moment.)

Last but not least: Kann nur der Impostor daran arbeiten, dass das dysfunktionale Selbstkonzept verschwindet? Jein. Zur Wahrheit gehört auch: Treffen Impostor auf ein toxisches Unternehmensumfeld oder auf Vorgesetzte, die wenig empathisch und geizig mit positiver Anerkennung sind, verstärken sich Impostor-Tendenzen deutlich. Und zu Recht ist in den letzten Jahren darauf hingewiesen worden, dass systematische Vorurteile und Ausgrenzung im Arbeitsumfeld zu Gedanken führen können, die dem Impostor-Syndrom ähneln, aber ihren Ursprung nicht in einem selbst, sondern im diskriminierenden Umfeld haben.

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann teile ihn gern in Deinem Netzwerk.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich habe mich entschieden, auf meiner Website zu duzen. Wir können uns im Coaching aber auch gern siezen.

You have Successfully Subscribed!

Cookie Consent mit Real Cookie Banner