Immer mehr leisten. Immer weniger Zeit und Ressourcen, um dem Berg an Aufgaben beizukommen. Diese Herausforderung kennen viele. In loser Folge schreibe ich über die Methoden, die mir selbst helfen, um wichtige Aufgaben rechtzeitig zu erledigen. Diesmal: Pausen.
Niemand kann ununterbrochen produktiv arbeiten. Keine provokante These, oder? Stimmt. Denn sie deckt sich mit unserer Erfahrung und vielen Studien, die zeigen, dass Pausen unsere Vitalität erhöhen und die Erschöpfung reduzieren.
Gleichzeitig haben Pausen keinen allzu guten Ruf. Gelegentlich fühlen wir uns „ertappt“, wenn wir mit Kolleg:innen vor der Kaffeemaschine stehen oder längere Zeit aus dem Fenster sehen. Ein kritischer Blick von außen oder die innere Stimme, die leise „Wer rastet, der rostet“ oder „Sei schnell, beeil‘ Dich“ flüstert. Schon wenden wir uns wieder der Arbeit zu. Denn können wir nicht umso mehr erledigen, je mehr Zeit wir in Arbeit investieren?
Warum brauchen wir Pausen?
Jeden Tag steht uns eine begrenzte Menge an physischen und mentalen Ressourcen zur Verfügung. Sobald unsere Batterien leer sind, fühlen wir uns müde, erschöpft oder gestresst. Arbeiten wir dann weiter, wirkt sich das negativ auf Wohlbefinden und Arbeitsleistung aus. Wir werden unkonzentrierter, machen Fehler und brauchen länger, um eine Aufgabe abzuschließen.
In Wahrheit mindert das, von dem wir glauben, dass es unseren Ruf als High Performer zementiert, unsere Leistungsfähigkeit. So belegte eine Studie im „Journal of Applied Psychology“, dass Führungskräfte, die sich am Abend keine richtige Pause gönnten, am nächsten Tag nur auf Sparflamme arbeiteten. Umgedreht bescheinigten Mitarbeitende ausgeruhten Chefinnen und Chefs mehr Power und Gestaltungskraft. Der Harvard Business Manager, der die Studie zitierte, stellte den Artikel unter die drastische wie passende Überschrift „Abends arbeiten, morgens versagen.“
Die ideale Länge und das richtige Timing von Pausen
Unsere geistige Energie verändert sich im Laufe des Tages systematisch. Nach etwa 90 Minuten erhöhter Wachsamkeit erreichen wir einen etwa zwanzig Minuten anhaltenden Tiefpunkt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2021 folgen die produktivsten Menschen diesem sogenannten ultradianen Tagesrhythmus und legen alle 112 Minuten Arbeit eine 26-minütige Pause ein beziehungsweise defokussieren sich.1
Niemand muss sklavisch diesem Prinzip von Fokus-Zeit und Pausen folgen. Regelmäßige, kurze Pausen sind jedoch wichtig, um Konzentration und Produktivität zu erhalten. (Ich nutze, während ich diesen Artikel schreibe, die „Pomodoro-Technik“. Ich arbeite 25 oder 30 Minuten lang, lege dann einen fünfminütige Mikro-Pause ein, in der ich aufstehe und mir einen Tee koche. Danach geht es im gleichen Rhythmus weiter. Andere arbeiten mit längeren Fokusphasen und entsprechend längeren Pausen: Es lohnt sich, etwas zu experimentieren, was am besten passt).
Genauso wichtig ist mindestens eine längere Pause, um die eigene Batterie wieder aufzuladen. Typischerweise ist das die Mittagspause. Wer den ganzen Tag durchgetaktet ist, von einem Meeting ins nächste, von einem Kunden zum nächsten eilt und sich durch seine Tiefs quält, dem kann es helfen, sich Pausen im Kalender zu blocken.
Der ideale Ort für Pausen (Spoiler: Nicht Social Media)
Der beliebteste Pausenraum ist kein physischer. Am liebsten scrollen wir in Pausen direkt am Arbeitsplatz durch das Internet und Social Media. Ideal ist das nicht. Wissenschaftler fanden bei einer Studie mit koreanischen Angestellten heraus, dass das Scrollen eher zu emotionaler Erschöpfung führt, denn die mentalen Ressourcen wieder auffüllt.2 Zum anderen zeigte eine Auswertung von über 80 wissenschaftlichen Studien zum Thema Pausen, dass es besonders erholsam ist, Pausen nicht am Schreibtisch zu verbringen, sondern im Freien und Grünen.3
Grund dafür ist der Panoramablick, den wir uns verschaffen, wenn wir im Freien auf die weiter entfernte Umgebung schauen. „Unser geistiger Fokus folgt unserem visuellen Fokus, daher ist letzterer unerlässlich, um die geistige Energie wieder aufzufüllen,“ schreibt Produktivitätsexperte Christian Poensgen. Ein kurzer Spaziergang nach dem Mittagessen kann also entscheidend helfen, das Mittagstief zu überwinden. „Die besten Pausen bestehen aus zwei Zutaten: Losgelöstheit und Autonomie. Entfernen Sie sich von Ihrem Schreibtisch, lassen Sie Ihr Smartphone dort liegen und sprechen Sie während des Mittagessens nicht über die Arbeit.“
Nicht alle Pausen sind gleich: Die „Seven Types of Rest“
Mit welcher Pause wir uns am besten erholen, kann von Tag zu Tag variieren. Nicht immer ist es ein Spaziergang oder genug Schlaf in der Nacht. Manchmal braucht es andere Arten von Erholung. Die Wissenschaftlerin Dr. Saundra Dalton-Smith unterscheidet die „seven types of rest“4:
- Sensorische Erholung: z.B. handyfreie Zeiten/Pausen oder Zurückziehen in Stille
- Geistige Erholung: Aktivitäten, die wenig Konzentration erfordern
- Soziale Erholung: Begegnungen suchen, die Energie geben; Treffen/Meetings meiden, die Energie rauben
- Emotionale Erholung: Gefühle frei ausdrücken können, authentisch sein, weniger „people-pleasing“
- Kreative Erholung: um uns aufzuladen, hilft es, in die Natur zu gehen oder Kunst zu betrachten
- Spirituelle Erholung: Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Sinn erfüllen, z.B. Zusammensein mit engen Freunden, ehrenamtliches Engagement, Religion etc.
- Körperliche Erholung (aktiv & passiv): Sport, Schlaf, Entspannungsübungen etc.
Aber, aber, aber ….!
Pausen machen uns nicht weniger produktiv. Im Gegenteil – sie helfen uns dabei, uns besser zu fühlen und leistungsfähig zu sein. Wer das am Arbeitsplatz vorlebt, also selbst regelmäßig Pausen macht und Flexibilität ermöglicht, wird dabei helfen, das mögliche Stigma und die Schuldgefühle rund um Pausen zu vermeiden.
In Phasen mit hoher Belastung, in denen ich glaube, mir wirklich keine Pausen „leisten“ zu können, schaue ich oft auf das Zitat von Oliver Burkeman aus seinem Buch „4000 Wochen“: „Es wird nie der Tag kommen, an dem man endlich alles im Griff hat – an dem die E-Mail-Flut eingedämmt ist, die To-Do-Listen nicht mehr länger werden, man allen Verpflichtungen im Beruf und im Privatleben nachkommt, einem niemand mehr böse ist, weil man eine Frist verpasst oder einen Fehler gemacht hat (…).“5 Sic!
Quellen:
- Dr. Christian Poensgen, The surprising secret to joining the top 10% (The 90-Minute-Defocus rule), https://beyondproductivity.substack.com/p/how-to-take-breaks-strategically?utm_source=substack&utm_medium=email&utm_content=share
- Effects of breaks on regaining vitality at work: An empirical comparison of ‘conventional’ and ‘smart phone’ breaks – ScienceDirect, in: Computers in Human Behavior, April 2016.
- How to take better breaks at work according to research, in: Harvard Business Review, Mai 2023.
- Erstmals habe ich über das Konzept der „seven types of rest“ bei Hans Rusinek von der Universität St. Gallen gelesen: https://www.linkedin.com/posts/hansrusinek_newwork-freizeitstress-verwertungsspezialisten-activity-7181512060097228800-FsrL?utm_source=share&utm_medium=member_desktop
- Oliver Burkeman, 4000 Wochen: Das Leben ist zur kurz für Zeitmanagement, 2022.
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